RVF Heinzelmann W (1947)

- Rekonstruktion -

Schaltungsprinzip ........ 2-Röhren-Audion-Geradeausempfänger
Hersteller...................... Radio-Vertrieb Fürth RVF
Herstelljahr .................. 1947 (zw. Oktober und Dezember)
Apparatenummer................. 13865
Anzahl Kreise ................ 1 Kreis AM
Wellenbereiche ............ LW 500 - 2100m, MW 200-500m, KW 15-55m
Ausstattung ................... Als Baukasten oder Fertigmodell, MW-Sperrkreis, induktive Antennenanpassung, Gittergleichrichtung, Widerstandsrückkopplung, 17 cm-Lautsprecher mit Übertrager
Spannungsversorgung . Wechselstrom 110 und 220 Volt ohne Netztrennung
Leistungsaufnahme ..... ca 20 Watt
Abmessungen Fertiggehäuse (BxHxT) . 425 x 250 x 220 mm
damaliger Preis ohne Röhren, Eiche matt ................... 176,- bzw. 198,- RM für den Bausatz in Wechsel-oder Allstrom
Röhren .......................... 4 V Heizung: AF7 AL4 6,3 V Heizung: EF1, EL3
ähnliche Typen ............. Heinzelmann GW 1947

Neubeginn nach 1945

In den Westsektoren regelte das Besatzungsstatut des Kontrollrats den Rundfunk und die Geräteproduktion ab 1945. Für den Rundfunk wurden Sendelizenzen erteilt. Die Produktion von Rundfunkgeräten war jedoch noch verboten. Radios mußten abgegeben werden und wurden gegen Berechtigungs- bzw. Bezugsschein neu verteilt. Weitreichende Zerstörung der Fabrikation und Demontage im Ostsektor Berlins und in Sachsen und die Requirierung der Vorräte gestalteten den Neubeginn sehr schwierig. Die allgemeine Knappheit an allen Gütern ließ es nicht zu, unmittelbar an den Stand der Technik anzuknüpfen. O. Kappelmayer beschreibt die Lage im Detail im ersten Heft der Funktechnik Ende 1946. Wie zu den Anfängen des Radios in den Zwanziger Jahren schlug mit der Stunde Null wieder die Zeit der Bastler.

Der Trafobauer Max Grundig verfügte nach Kriegsende neben Vorräten über ein Millionenkapital an Reichsmark und nutzte zum Neubeginn unter der Firmierung RVF (Radio Vertrieb Fürth) geschickt eine rechtliche Lücke - Herstellung und Vertrieb von Bausätzen und Spielzeugen war erlaubt - und in seinem Auftrag entwickelte Ingenieur Hans Eckstein bereits 1945 ein Design für einen Einkreiser als Selbstbauradio.

Baukästen waren keine neue Idee, schon seit 1934 gab es den Kosmos "Radiomann", von seinem Entwickler Wilhelm Fröhlich als praktische Heranführung der interessierten Jugend an die Hochfrequenzphysik gedacht. Einen solchen Lehrbaukasten hatte Grundig jedoch nicht im Sinn, mit dem Bausatz sollte der Käufer - nach dem Ikea-Prinzip - die Montage anhand einer Anleitung übernehmen. Ein ähnliches 2-Röhren-Audion erschien 1949 bei PHONETICA, Berlin (W149B) mit Preßpappen-Chassis wie der Ur-Heinzelmann. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Heinzelmann bereits einen soliden Alu-Chassisaufbau zugelegt. Auch andere (u.a. Schacky und Wöllmer in München) sahen im Selbstbau wieder eine Vertriebschance, allerdings mit weniger Erfolg.

1946 genehmigt, begann die Produktion des Baukastens, der neben Pappchassis und Komponenten auch ein komplettes Gehäuse, aber keine Röhren enthielt. In Funkschau 1/1947 erschien eine Anzeige von RVF, die den Bausatz ankündigte: "In Vorbereitung: Heinzelmann. Rundfunk-Baukasten für Wechsel- und Allstrom, lieferbar voraussichtlich März 1947".


Abb. 1 Anzeige in Funktechnik 1947, Heft 11, S. 26 und Folgeheft

Zum Preis von 176 bzw. 198 Reichsmark konnten vor allem in Bayern bis zur Währungsreform 1948 etliche Tausend Bausätze, aber auch bewirtschaftete Quotengeräte auf Bedarfsschein verkauft werden.
Der Erfolg des Heinzelmanns bildete den Startpunkt für den Aufstieg eines selfmade mans und für die rasante Expansion seines Grundig-Imperiums zum global player der Unterhaltungselektronik bis zum Absturz in den späten siebziger Jahren.

Befund


Abb. 2 Chassisoberseite im Fundzustand

Ein desolates Häufchen Elektroschrott, teilweise nach erkennbar gescheiterten Reparaturversuchen. Schwerwiegend: Spulensatz komplett abgebrochen und beschädigt, anscheinend beim Ausbrechen des noch als nützlich erachteten Lautsprechers. Röhren, Gehäuse mitsamt Lautsprecher und Übertrager fehlen, kaum ein Teil ist unbeschädigt.

Baukasten oder Fertiggerät?

Der ursprüngliche Aufbau ist sachkundig und mit guten Lötverbindungen erstellt worden, auf dem Chassis sichtbar gibt es keine Prüfkürzel, wohl aber auf der Trägerrückseite des vom Werk bereits komplett aufgebauten Spulensatzes befinden sich Stempel und Namenskürzel eines Schlußprüfers des Werks. Ob es sich um einen Bausatz oder ein Fertiggerät handelt, muss offenbleiben, da wichtige zur Bestimmung heranzuziehende Teile wie Originalgehäuse und Rückwand fehlen.
Für eine Auslieferung in der zweiten Jahreshälfte 1947 sprechen folgende Datumsangaben an den Komponenten:

  • Datumsstempel am Drehkogehäuse: „19. Juni 1947“
  • Elko der NSF mit Chargennummer "16.6.47.123"
  • Wehrmachts-Elko mit Z-Nr 61518 hat eine Kennziffer 45 1 9NMC81E
  • 1 µF-Kondensatorblock mit Chargennr. "W 10.46 G"
  • ERO-Kondensatoren stammen aus laufender Produktion April bis Mai 1947

Auf dem Trafo ein Zettel "RVF Netztrafo Nr. 2/1". Auch alle übrigen Teile sind aus der Zeit. Das U-förmige Abschirmblech paßt nicht zur AF7 und scheint aus der Allstromversion für Wehrmachtröhren zu stammen.
Ein Vermerk an der Holzstütze "KW arbeitet schwach" zeugt von früheren Reparaturversuchen. Einige Verbindungen sind später laienhaft mit Zinn "überklebt" worden und andere Teile wurden - aus welchen Gründen auch immer - ausgebaut und beigelegt.
Den mit Abstand größten Aufwand wird die Aufarbeitung des Spulensatzes darstellen, keine einzige Spule ist ohne Beanstandung. Beim Wiederaufbau sollten alle Originalteile erhalten bleiben.

Bedienhinweise

Die Bedienungsanleitung (vgl. Baumappe, S.15) ist für die Einstellung des Sperrkreises und die Abstimmung des Audions zu Rate zu ziehen. 4-Knopf-Bedienung: Links: Wellenschalter und Antennenkoppler (Lautstärke) auf einer Welle, Mitte: Abstimmung, Rechts: Rückkopplung und Ein-Aus-Schalter. Netzschnur, Mittelwellensperrkreis und 3 Antennenbuchsen an der Rückwand. Keine weiteren Ein- und Ausgänge. Ein Erdanschluß ist nicht vorgesehen, nicht erforderlich und darf nicht nachgerüstet werden.

Chassis

So wie der Radiobau aus Materialknappheit im Kriege um 1941 mit Pappchassis endet, so setzte auch M. Grundig bei der Chassisplatte wieder auf Presspappe, notdürftig versehen mit einem Holzträger rechts und Winkellaschen am Trafo.
In Unterschied zum frühen Eckstein-Exemplar, wo die Komponenten auf der Chassisunterseite angebracht sind, befinden sich auf der Oberseite 3 Sicherungshalter, Selen-Säulengleichrichter mit Drosselspule und Siebwiderstand, 2 Becher-Elkos und ein hochkant montierter Drehkondensator, die Rückkopplung ist bei unserem Exemplar durch Potentiometer ausgeführt, während man im Eckstein-Modell noch einen Flach-Drehko mit angeflanschtem Schalter eingesetzt hat. Der Trafo ist auf der Unterseite links montiert. Die zwei Außenkontaktfassungen sind aus Keramik. Dieser Aufbau entspricht einem W-Modell von 1947, Version 2 (vgl. Knoll).
Knoll weist auch darauf hin, dass die frühe W-Version mit Kondensatormitkopplung nur wenige Bauteile auf der Oberseite hatte. Ein Versuch, Elkos und Selensäule unterhalb einzubauen, scheitert jedoch bei diesem Chassis mit Widerstandsmitkopplung an der Bautiefe des Potentiometers mit Schalter.
Eine Zuleitung zur Glühbirnenfassung mit Holzschraube ist laienhaft an 6,3 V~ gelötet und mit Holzschraube befestigt, aber nicht im Schaltplan der 47er Version vorhanden. Die Heinzelmann-Geraete, die nach der Waehrungsumstellung verkauft wurden, erkennt man an der eingebauten Papp-Blende hinter der schwarzen Skala und einer dort mittig angeklemmten Skalenbeleuchtung.

Die Chassisplatte ist meist verbogen und verzogen, da sie freitragend montiert ist - mechanisch eine Minimallösung. An besonders belasteten Stellen löst sich der Pappverbund. Man kann diese Stellen nachbeizen und mit wasserfestem Holzleim tränken und pressen. Wichtig ist der ebenmäßige Zusammenbau und die exakt ausgerichtete Befestigung auf die Grundplatte.

Abb. 3 Chassisoberseite nach Rekonstruktion. Die Spulen für LW/MW fehlen noch.

Abb. 4 Chassisoberseite von vorn nach Rekonstruktion. Ein viertes Standbein wurde nachgearbeitet. Abb. 5 Chassisunterseite nach Rekonstruktion der Verdrahtung. Der Rückkopplungspotentiometer ist ein Merkmal der Version 2 von 1947. Der Kondensator in blau ersetzt den belassenen Wehrmachtselko.

Achtung!
Das W-Modell von 1947 ist ein Wechselstrommodell ohne galvanische Trennung der Anodenspannung vom Stromnetz. Der Netztransformator ist lediglich ein Heiztrafo ohne Anodenwicklung. Aus diesem Grund kann an Bauteilen, die an Gerätemasse hängen (u.a. Elkos, Drehko, Gitterkappe) Netzphase anliegen!
Vor Messungen bzw. Eingriffen am spannungsführenden Chassis Netztrennung herstellen (Trenntrafo vorschalten)!
Für den Betrieb ist mindestens kompletter Berührschutz herzustellen:
  • Gehäuse und Rückwand aus Isolierstoff
  • Die Bedienknöpfe müssen vollständigen Berührungsschutz sicherstellen (Isolierstoff, verdeckte Madenschrauben)
  • Die unterseitigen Chassisschrauben müssen versenkt sein und Isolierkappen tragen
  • Schutzklasse nicht verändern. Zweipolige Netzzuleitung ohne Schutzleiter und zweipoligen Stecker verwenden
  • keine Erdbuchse nachrüsten!
  • Keine Anschlüsse für externe Geräte nachrüsten!
Auch im berührsicheren Zustand wird Betrieb an einem Trenntrafo empfohlen.

Schaltung

Ein Sperrkreis für MW mit zwei wählbaren Sperrtiefen bildet den Antenneneingang. Dieser ist kapazitiv mit den Antennenkoppelspulen verbunden. Der Spulensatz ist mit hochwertig ausgeführten Luftspulen in Kreuzwicklung und einer stetig regelbaren Antennenankopplung ausgestattet. Alle drei Antennenspulen, je eine für Kurz- und Mittelwelle auf gemeinsamem Spulenkörper und eine für Langwelle auf separatem Spulenkörper, sind über eine Achse manuell schwenkbar, um die Lautstärke zu regeln und eine optimale Antennenanpassung zu erreichen. Je Wellenbereich über den Wellenschalter zuschaltbar gibt es fest montiert eine Gitterkreisspule und eine Rückkopplungsspule auf gemeinsamem Spulenkörper.
Das Antennensignal gelangt über eine Gitterkapazität direkt an das Steuergitter der Audionröhre. Sie wird mit niedrigen Schirmgitter- und Anodenspannungen betrieben (25 bzw. 30V). Die Rückkopplungsspannung wird von C8 abgegriffen und über C3 dem Potentiometer R1 zugeführt, mit dem die Mitkopplung dosiert an die Kreisspule (L7 bis L9) abgegeben wird. Die negative Vorspannung für das Steuergitter AL4 wird halbautomatisch erzeugt durch die direkt am Netz liegenden Widerstände R10/R11, eine HF-Drossel hinter der Primärwicklung des Heiztrafos schützt den Netzanschluß vor Einstreuungen des Audions.

Schaltplan


Abb. 6 Ergänztes Schaltbild nach RVF Heinzelmann W Originalschaltplan von 1947

Bestückung Heinzelmann W Chassis

Die Pappschachtel mit den Chassisteilen für den Bausatz enthielt ein aufgeklebtes Inhaltsverzeichnis mit folgender Stückliste:

1 Netztrafo Dr. 2.4 mit 2 Befestigungs-Winkeln | Trafo Nr. 2/1 gepr. ok.
1 Sicherung 0,5 Amp. | ergänzt
1 Spulensatz komplett montiert mit 2 Bef.-schrauben | zerstört, repariert bzw. rekonstruiert
1 Blechkappe f. AF7 mit 2M Widerstand und 100 pF Kondensator komplett mont. | falsche Kappe, gefaltete Haube nachgefertigt
1 Selengleichrichter m. 2 Isolieranfert. 2 Muttern M4 | SAF 220/0,03, gepr. defekt, ersetzt mit 250V, 0,030 A
1 Zeiger zum Drehkondensator 500 pF | gerichtet, beige lackiert
1 Rückkopplungspotentiometer 15 K mit Netzschalter | defekt, repariert
1 Winkel, 1 Schraube und 1 Lötöse | ergänzt
2 Kondensatoren 50000 pF 750 V | ersetzt
1 Kondensator 5000 pF 750 V | ersetzt
1 Kondensator 1000 pF 750 V | ersetzt
1 Kondensator 200 pF 750 V | ersetzt
1 Becherkondensator 1 x 0,5 µF oder 2 x 0,5 µF | Wickel getauscht
1 Elektrolyt-Kondensator, NSF, ca 16 µF ca 350 V |ersetzt
1 Elektrolyt-Kondensator ca 16 µF ca 250 V gasdicht, Fertigungskennzeichen "rom" = NSF ab 1944, vgl. Thote | stillgelegt, Neuteil
2 Widerstände 500 KOhm 0,5 Watt | Zuleitung repariert
2 Widerstände 200 KOhm 0,5 Watt | Zuleitung repariert
1 Widerstande 100 KOhm 0,5 Watt | Zuleitung repariert
2 Widerstände 50 KOhm 0,5 Watt | Zuleitung repariert
1 Widerstand 150 Ohm 0,5 Watt | Zuleitung repariert
1 Widerstand 2 KOhm 2 Watt | 3 W eingebaut
1 Drosselspule | gepr. ok.
2 Röhrenfassungen 8 pol. mit 4 Schrauben u. 4 Muttern
1 Grundplatte mit Holzstütze | gerichtet, aufgearbeitet
1 Netzschnur mit 2 pol. Stecker (Textil, grau/weiß) | ergänzt
1 Halteschelle mit 1 Holzschraube | ergänzt
1 Holzschraube f. Grundplatte | original vorhanden
4 Holzschrauben für Rückwand | ergänzt
0,5 m Isolierschlauch 1 x 0,5 mm | original vorhanden
2,1 m Schaltdraht isol. 0,5 mm Durchm. | original vorhanden
0,5 m Schaltdraht isol. 0,8 mm Durchm. | ersetzt
0,3 m Schaltlitze isol. 0,5-0,75mm Durchm. | original vorhanden
1 Kondensator 250 pF 750 V | ersetzt
2 Kondensator 10000 pF 750 V | ersetzt

Die beiden zuletzt aufgeführten Positionen (C3, C8) sind nach Schaltplan notwendig, aber im Inhaltsverzeichnis nicht aufgeführt. Lautsprecher, Übertrager und die 4 Bedienknöpfe sind in der Aufstellung ebenfalls nicht enthalten, wurden aber wohl mit dem Fertiggehäuse zusammen im Karton mitgeliefert.



Abb. 7 Original-Bausatzkarton v. 1947 Quelle: Deutsches Museum Bonn, A. Hindemith 2016

Mit einer detaillierten Anleitung konnten auch Laien mit Lötfertigkeiten den Aufbau bewältigen ohne genau wissen zu müssen, was sie gerade machten, zumal schwierige Aggregate wie der Spulensatz komplett verdrahtet geliefert wurden. Was geschah, wenn der Apparat nicht auf Anhieb lief, sei dahingestellt. Aus der Bedienungsanleitung kam der Hinweis: "Fragen Sie Ihren Rundfunkhändler um Rat und nehmen Sie seine Hilfe in Anspruch ..."

Röhren

Der Bausatz wurde mit 8-pol. Außenkontaktsockeln, wie sie seit Mitte der Dreißiger Jahre bekannt sind, ausgeliefert. Passend dazu sind die 4-Volt Typen AF7 für das Audion und AL4 für die NF-Stufe. Beide Vorkriegsröhren wurden in Millionenauflage produziert und sind bis heute als noch brauchbare Röhren erhältlich. Der störempfindliche Dom-Kontakt der AF7 erhält eine gefaltete Blechkappe, in die innen der Koppelkondensator und der Gitterwiderstand mit dem Gittereingang verbunden sind.

Spulensatz / Wellenschalter

Der Spulensatz ist als Schwenkaggregat ausgeführt - keine Nachkriegserfindung, sondern zuletzt und besonders weit verbreitet im Volksempfänger Typ 301Wn (ab 1937), gehört diese Lösung zum Anfangsinventar der Rundfunktechnik (Schwenkspulen).
Leider waren bei diesem Fundstück alle Spulenhalter abgebrochen, Wicklungen beschädigt und die meisten Anschlüsse abgerissen. Von der ursprünglichen Drahtlänge fehlt ein Stück. Da dieses Aggregat von RVF komplett geliefert wurde, gibt es keine detaillierte Aufbaubeschreibung, so daß man selbst die im Schaltplan angegebenen Spulen, ihre Induktivität und ihre Verschaltung herausfinden muß. Das Ergebnis der Untersuchung ist in Abb. 8 festgehalten.



Abb. 8 RVF Heinzelmann W 1947 Spulensatz

Die Verbindungen der Spulenanfänge und -enden sind in den Spalten A und E der Abb. 8 enthalten. Die 6 Schaltzungen des Wellenschalters werden durch eine Nockenwelle nach außen auf 5 Kontakte gedrückt und damit betätigt. Den fehlenden Schaltknopf kann man anfertigen, Maße vgl. Wellenschalterknebel. Deren einfache Schaltmatrix ist dem Schaltbild zu entnehmen. In der Mittelposition "Lang" sind alle Kontakte offen, die gesamte Länge der Spulen wird genutzt, in der Stellung "Kurz" werden die Spulenlängen maximal gekürzt. Beim Einbau des Wellenschalterknopfes vermeidet man das Verbiegen der Kontakte, indem man den Hebel zunächst nach oben zeigend einschiebt. Wenn er anstößt, wird er nach unten gelegt und das letzte Stückchennach innen gedrückt.


Abb. 9 RVF Heinzelmann W 1947 neu aufgebautes Spulenaggregat

Die Abbildung zeigt das rekonstruierte Spulenaggregat. Die Antennenspule für MW und die Kreisspule für KW wurden neugewickelt, die übrigen Spulen sind original, haben aber etwas weniger Drahtlänge. Die Verdrahtung folgt dem Originalschaltplan. Wellenschalter- und Lautstärkeknopf sind Kopiem. Die Madenschrauben müssen bei der Endmontage verdeckt werden.

Widerstände

Die Hälfte der Widerstände hatte mindestens einen fehlenden Anschlußdraht. Dieser Mangel kann fachgerecht behoben werden. Bei der einen Version umfasst ein Bördelrand die Drahtöse, denn man leicht aufdrücken und nach Einlegen eines neuen Drahts wieder zurückdrücken kann. Bei der anderen Version ist der Draht durch eine Öse gezogen und seitlich geschweißt worden. Die Reste kann man abfeilen und den neuen Draht entsprechend einlegen. Bei beiden Versionen gut verlöten. Nach anschließender Neulackierung der Enden ist die Reparatur unsichtbar. Auf diese Weise konnten sämtliche Originalwiderstände erhalten werden.
Das Preh-Potentiometer ist bei dem Gerätealter fast immer ein Problemkandidat. Es kam auseinandergenommen und ohne Schleifkohlen an. Bei einem Niet an der Widerstandsbahn fehlte einer der Nietköpfe. Der Schalter war abmontiert. Für das Schaltergehäuse fehlte der originale Bördelring, ein Ring mit Laschen wurde nachgefertigt. Die Widerstandsbahn war noch gut erhalten, alles andere ließ sich ersetzen oder reparieren, so daß der Potentiometer in allen Funktionen wieder vollwertig geworden ist.

Kondensatoren

Der NSF-Kondensator erhielt eine neue Füllung und einen passenden Schränkring zum besseren Halt auf der Pappe. Der Wehrmachtselko blieb eingebaut, wird aber nur noch als Lötstützpunkt für einen neuen Elko auf der Chassisunterseite weitergenutzt.
Bei allen Papierkondensatoren wurden die alten Wickel gegen neue Folienkondensatoren getauscht.
Der Drehko wird hochkant am unteren Trägerstab auf die Platte aufgeschraubt. Dazu gibt es zwei M3-Gewindebohrungen, aber nur die vordere Schraube hat eine passende Plattenbohrung. Dieser Behelf reicht nicht für eine dauerhafte Verschraubung, denn ein zu starkes Anziehen würde zum Kippen nach vorn und zum Spalten der Pappe führen! Die hintere Chassisbohrung für den Drehko wurde deshalb schlitzartig erweitert und zusätzliche dünne Unterlegscheiben verteilen den Anschraubdruck - mechanisch ist jetzt alles in Ordnung. Offenbar eine Ungenauigkeit beim Stanzen der Grundplatte.

Ausgangsübertrager

Der Original-Lautsprecher (Durchmesser 17 cm) als auch der Originalübertrager dürften kaum separat erhältlich sein. Bei der Auswahl geeigneter Übertrager muß man sich u.a. nach der Endröhre (in diesem Fall AL4) und deren Ausgangswiderstand RA richten. Die Röhre ist bei einer Primär-Impedanz des Übertragers von 7 kΩ optimal angepasst und sollte etwa 24 mA ziehen. Von Graetz gibt es einen geeigneten Vorkriegs-Lautsprecher mit Permanent-Magnet und 17 cm Durchmesser, der eingebaut werden konnte.

Inbetriebnahme

Den Prüfling an den Ausgang eines Stell-Trenntrafos anschließen und Netzspannung langsam hochfahren. Zunächst sind die angegebenen Werte für Heizung, Anoden-, Schirmgitter- und Gittervorspannungen zu überprüfen. Man beginnt zweckmäßigerweise mit der Prüfung der Selensäule. Sofern erhältlich ggf. durch eine brauchbare Selensäule mit 250 V/0,03A ersetzen.
Sind alle Spannungen korrekt, mit einem Prüfsummer oder Meßsender am Antenneneingang prüfen, ob Audion und Nf-Verstärker arbeiten. Mit dem Antennenkoppler sollte sich die Lautstärke regeln lassen, mit dem Drehko läßt sich auf das Signal abstimmen und der Rückkopplungsregler verändert die Empfindlichkeit. Treten wilde Schwingungen durch Einstreuung in die Steuergitterzuleitung auf, kann das Zuleitungskabel als abgeschirmte Leitung zur Gitterkappe ausgeführt werden. Mußten die Kreisspulen (KS) neu gewickelt oder mit neuen Anschlüssen versehen werden, kann die Abstimmung von der Skala abweichen. Das Gerät hat aber keine Abgleichmittel.

Gehäuse

Das Gehäuse bildet ein einfach gehaltener Sperrholzaufbau mit Anklängen an den Vorkriegstypus des flachen "Backsteins" mit Lautsprecher und Skala nebeneinander. Das naturfarbene Eichenfurnier setzt einen nüchtern-sachlichen Farbakzent, einziger Zierrat: die zwei hölzernen Abschlußleisten als Akzentuierung des Plattenausschnitts. Seiten und Deckel sind in einem Stück mit gerundeten Ecken oben gefertigt. Die Front ist mit minimalem Aufwand vorgesetzt, so daß die häßliche Sperrholzschnittkante sichtbar ist. An der Rückseite mit Eckstücken und Leisten verstärkt, Rückwand verschraubt. In einem Zug längsfurniert mit dünnem, gestreiftem Eichenfurnier.

Für ein Bausatzgerät wirkt eine Einzelfertigung des Gehäuses durchaus authentisch vgl. Abb. 10).



Abb. 10 Selbstbaugehäuse für den RVF Heinzelmann W 1947

Die Bedienknöpfe im Achsabstand von 85 mm liegen bedingt durch die Chassiskonstruktion nicht auf gemeinsamer Fluchtlinie (Mitte: +9mm, links +2,5 mm höher), sowohl der linke als auch der rechte Knopf liegen auch nicht mittig in der Frontaufteilung. Der mittlere Knopf liegt außerdem zu nahe an der Zierleiste und alle Wellen ragen unterschiedlich tief aus der Frontplatte. Beim Lautsprecherbrett muß links unten ein Stück für den Wellenschalter ausgeklinkt werden. Für die korrekte Funktion des Wellenschalterknopfs sind geringe Toleranzen bei Einbautiefe und Zentrierung zu beachten. Zum passgenauen Einbau des Chassis ist deshalb eine Bohrschablone von Nöten.
An der Frontplatte anzubringende Bohrungen sind: 14,5 mm für Wellenschalter, je 6,5 mm für die übrigen Achsen. Die engtolerierten Bohrungen sorgen dafür, daß das Pappchassis bei der Bedienung (v.a. des Drehkos) entlastet wird. Die Masse gehen davon aus, dass die biegsame Chassisplatte e b e n eingebaut ist.
Die beschriebenen Ungenauigkeiten in der Abstimmung von Chassis und Gehäuse wären mit erhöhtem konstruktiven Aufwand vermeidbar gewesen.
Der Rundungsradius des in Eiche furnierten Kastens wurde im Nachbau etwas größer gewählt und die Kantenbearbeitung verbessert (keine sichtbare Sperrholzkante). Für die Zierleisten wurde Apfel als helles Hartholz ohne offene Poren gewählt.
Die beige Lautsprecherbespannung stammt von einem Baumwollgewebe in Waffelmuster. Es wurde feucht mit einem steifen Kleister auf die Lautsprecherplatte aufgespannt und ist leicht wieder abnehmbar. Die Skala wurde aus dünnen Glasplatten und einer zwischenliegenden Farbfolie nachgebildet. Sie wird von oben mit einer 7-Volt-Birne beleuchtet - das ist bei dem 47er Modell nicht vorgesehen, aber leicht nachrüstbar und erhöht den Ablesekomfort und nicht zuletzt die Sicherheit. Abb. 11 zeigt die Rückansicht des Heinzelmanns mit eingebautem Chassis. Lautsprecher und AT sind nicht original, aber aus der Zeit.



Abb. 11 Rückseite des rekonstruierten RVF Heinzelmanns
Die Rückwand mit komplettem Sperrfilter wurde passend zum Gerät zugekauft und aufgearbeitet.



Abb. 12 Original-Rückwand für den RVF Heinzelmann W 1947 mit eingeprägter Seriennummer.
Das runde Firmenzeichen stammt vom Radiogeschäft Lehner in Kirchheim-Teck - ein Indiz daß auch Fertiggeräte verkauft wurden. Die Seriennummer liegt nur einige Exemplare höher als die von Pressechef Hellmut Reichel im Herbst 1947 publizierte Gesamtauflage für Fertiggeräte des Baukastens (nach Knoll, 2021).

Links

RVF Elektrotechnische Fabrik - Inh. Max Grundig Rundfunk durch RVF Baukasten Type Heinzelmann W, Baumappe 16 S. 1947
Kappelmayer, Otto: Rückblick und Vorschau für Handel u. Werkstatt. In: Funktechnik 1/1946, S.10ff
Knoll, Hans: Ursprünge des Radiobaukastens „Heinzelmann“. In: Rundfunk und Museum. Zeitschrift des Rundfunkmuseums der Stadt Fürth, Heft 71, Dezember 2009, S. 9–16.

Knoll, Hans: Die technischen Varianten des „Heinzelmannes“. In: Funkgeschichte Mitgliederzeitschrift der GFGFs, Sonderheft 2021, S. 10f (ungekürzte Fassung in Funkgeschichte, 250 (2020), S. 73–78
Kusserow, Raimund: Max Grundig Vom Heinzelmann zum Giganten SDR, Deutsche Welle TV, Haus der Geschichte, Manager Magazin, 1994
Nagel, Bernhard: Maßzeichnung Wellenschalter-Knebel radiomuseum.org
RVF, Heinzelmann W 1947 mit Rückkoppelkondensator. In: Deutsches Museum, Bonn, Foto: Axel Hindemith / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de
RVF, Heinzelmann W 1948 mit Alu-Chassisplatte. In: Forum Radio-bastler
RVF, Heinzelmann GW Allstromversion 1948 Bausatz mit Wehrmachtsröhren. In: RBF-Forum
RVF, Heinzelmann GW Allstromversion 1947 Bausatz mit Wehrmachtsröhren. In: Forum Radio-bastler
Thote, W., Unbekannte Fertigungskennzeichen, In: Radio-Bote H. 16, S.21, 3.Jg 2008

Phonetika Radio GmbH, Berlin, Modell W 148B, In: Funkgeschichte, 1950